Fakultät für Informatik

Informatik in Tübingen

Neben dem Verständnis der Informatik als Ingenieurwissenschaft muß man sie als "Methodenwissenschaft" verstehen, also insgesamt als Arbeitsgebiet, in dem transparente Lösungswege bzw. Modelle (unter Einsatz von Mathematik und Logik) entworfen, zugleich die technischen Hilfsmittel (Hardware) zur schnellen und zuverlässigen Durchführung entwickelt, sowie die Umsetzung in maschinenverständliche Sprachen (Software) erforscht werden. Die Daten- und Wissensverarbeitung ist somit in sich eine umfangreiche und hochdifferenzierte Disziplin, im Kernbereich zu gliedern in Praktische Informatik (Computeralgebra/Algorithmen, Datenbanken, Graphisch-Interaktive Systeme, Programmierung, Symbolisches Rechnen, Paralleles Rechnen, Textwissenschaft), Technische Informatik (Architektur und Organisation von Rechnern) und Theoretische Informatik (Mathematische Logik, Logik und Sprachtheorie, Theoretische Informatik/Formale Sprachen).

Der formalisierende Begriff "Methodenwissenschaft" zeigt zugleich an, daß die Informatik von Hause aus nicht nur offen, sondern sogar elementar angewiesen ist auf die Kooperation mit anderen Disziplinen: Sie sollen den Nutzen haben von den Forschungen in der Informatik, und umgekehrt können Fragestellungen, Anforderungen und Impulse von dort in die Informatik hineinwirken und deren Arbeit beeinflussen. Aus diesem Grund ist im Rahmen der Fakultätsstruktur bzw. im Rahmen des Studiengangs das Nebenfach (derzeit sind in einer offenen Liste 12 Disziplinen vorgesehen) von großer Bedeutung, insofern hierin je die Schnittstelle liegt zwischen Kernbereich der Informatik und den Fragestellungen der Fremddisziplin, die mit den Mitteln der Informatik einer Antwort nähergebracht werden sollen.

Damit zeichnet sich eine dritte Ebene ab: Die vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbare Effizienz heutiger informationsverarbeitender Systeme beeinflußt in welchem Arbeitsgebiet auch immer die Forscherinnen und Forscher in ihrer Arbeitsweise vielfach: Der Zwang zur Methodenreflexion ist stärker, die zur Verfügung stehende Datenfülle unvergleichlich größer. Neue wissenschaftliche Fragestellungen ergeben sich: Welche Analysen lassen sich automatisch erheben? Wie läßt sich die Daten-/Wissensmenge strukturieren und so erst auswerten (z. B. durch Visualisierung)? Die fortschreitende Vernetzung verschärft das Problem der Datensicherheit, bedroht potentiell die individuelle Freiheit, da die Überwachbarkeit wächst. Mit der Disziplin "Informatik" sind somit auch hermeneutische, wissenschaftstheoretische, gesellschaftspolitische und juristische Fragen verbunden, die als solche allerdings kein Exklusivproblem der Informatik sind. Es ist bei der Beantwortung dieser Fragen ein Austausch mit anderen Disziplinen geboten, die sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen beschäftigen. Zudem wird im Fach "Informatik und Gesellschaft" explizit eine Reflexion des eigenen Faches betrieben, wie sie im Grunde jeder Disziplin gut ansteht.

Die Informatik als eine umfassende Basis- und Querschnittsdisziplin hat somit gerade an einer klassischen Universität wie Tübingen die Chance, sich vom falschen Image einer vorwiegend ingenieurwissenschaftlichen Disziplin zu befreien und für die ganze Bandbreite der Natur- und Geisteswissenschaften Anstöße für neue Methoden, Denk- und Arbeitsweisen zu geben. Diese Orientierung wurde der jüngsten Tübinger Fakultät auch bei ihrer Gründung mit auf den Weg gegeben, seither vielfach unterstrichen und bedarf nach der Konsolidierungsphase einer besonderen Pflege, zumal in Tübingen etwa die Rechnerverwendung auch in Geisteswissenschaften eine schon beachtliche Tradition und auch institutionelle Verankerung hat.

Im Berichtszeitraum 1993 1995 war es möglich, den Aufbau der Fakultät fortzusetzen durch Berufung von Professoren für Paralleles Rechnen, Theoretische Informatik/Formale Sprachen und Rechnerarchitektur. Es versteht sich von selbst, daß diese Kollegen z. T. noch nicht im Forschungsbericht vertreten sein können. Der weitere und planmäßige Ausbau der Fakultät hat allerdings die Raumprobleme in erdrückendem Maß verschärft. Nicht nur einzelnen Arbeitsbereichen fehlen Räume, auch auf der Ebene der allgemeinen Funktionsräume (Bibliothek, Seminar- und Vorlesungsräume) bestehen große Defizite. Schließlich ist es wünschenswert, die gesamte Fakultät zusammenzuführen, also die derzeitige räumliche Zerstreuung zu beenden. Zu erwähnen ist noch, daß das Fach "Informatik und Gesellschaft" obwohl integraler Bestandteil des Studienplans immer noch nicht durch einen eigenen Arbeitsbereich abgedeckt werden kann.

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qvf-info@uni-tuebingen.de(qvf-info@uni-tuebingen.de) - Stand: 30.11.96
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